gleich vorab: Dies ist mein letztes Posting in 2008.
Danach habt Ihr also erstmal Ruhe - und ich auch!

Ein paar Worte jetzt zu jenem Teil tief im Inneren unserer Maschine, das ganz still und leise einen aufreibend harten Dienst für uns verrichten muss, nur weil wir zu faul zum Radeln sind: Unsere FLIEHKRAFTKUPPLUNG. Manch' eine mag schon verglüht sein vor Zorn darüber, wie wir mit ihr umgehen. Sie kann aber auch so hart zupacken, dass es den D-Wurm zerbricht - auch das woll'n wir nicht. Wie aber sollen wir sie verstehen können ohne Messungen am Prüfstand? Mit Theorie!
Eine Kupplung überträgt ein Drehmoment zwischen zwei (rotierenden) Wellen.
1. Die ultimative Alles-oder-Nichts-Kupplung ist eine formschlüssige Kupplung. Unsere Sperrklinken arbeiten so, jedenfalls in einer Richtung. Im eingekuppelten Zustand gibt es keinen Drehzahlunterschied, und das übertragbare Drehmoment ist so hoch wie die Zerstörungsgrenze der Kupplung/Wellen.
2. Die nächstsanftere Kupplung kennt jeder - das ist die im Auto. Es ist eine Kupplung mit Reibflächen, die im eingekuppelten Zustand von Federn zusammengepreßt werden. Abhängig von der Federkraft überträgt diese Kupplung ein bestimmtes maximales Drehmoment. Wird es überschritten, beginnt die Kupplung zu rutschen. Diese Kupplung kann ein Drehmoment übertragen auch bei Drehzahlunterschieden zwischen den beiden Wellen, wobei sie sich durch Reibung erwärmt. Es ist jedoch ein Fuß erforderlich, um sie virtuos zu nutzen.
3. Eine Fliehkraftkupplung arbeitet dagegen automatisch, aber narrensicher ist sie deswegen nicht. Hier gibt es im Inneren ebenfalls Reibflächen, die zusammen mit schweren Massen in schnelle Rotation versetzt, per Fliehkraftwirkung aneinandergepresst werden. Aber das ist noch nicht alles, denn es gibt zusätzlich auch Federn, die die Reibflächen voneinander trennen. Erst ab einer bestimmten Startdrehzahl sind die kuppelnden Fliehkräfte Fk größer als die trennenden Federkräfte Ft, so dass es dann zu einer Reibung bzw. Drehmomentübertragung kommen kann. Das übertragbare Drehmoment nimmt dabei nach und nach mit der Drehzahl zu, und das geht so: Wenn die Federn eine Kraft Ft haben, dann wird die Masse m des Fliehkraftsystems so bemessen, dass bei der gewünschten Startdrehzahl die Drehmomentübertragung beginnt, und zwar bei Null(!), sobald Fk=Ft. Bei der Saxo sind das ca. 2.600/min. Weil die Fliehkraft aber quadratisch mit der Drehzahl zunimmt, nimmt auch das übertragbare Drehmoment M erst mit steigender Drehzahl wie folgt zu (M ist proportional zur Kraft Ft der trennenden Federn):
M(Drehzahl) = ((Drehzahl)hoch2/(Startdrehzahl)hoch2 - 1) und daraus
Drehzahl(M) = Startdrehzahl mal Wurzel(M+1).
Hier einige Punkte dieser Funktion:
Einheiten der Drehmomentübertragung:
0 bei 2.600/min
M bei 3.677/min
2M bei 4.503/min
3M bei 5.200/min
0,15M bei 2.788/min (!)
0,33M bei 3.000/min (!)
Die beiden Werte unten sind genau der Punkt - der langen Rede kurzer Sinn: Bei schneller Fahrt über eine holperige Strecke ist das von der Fliehkraftkupplung maximal übertragbare Drehmoment leicht 20-fach höher als bei 2.800/min und immer noch ca. 10-fach höher als bei der Drehzahl des maximalen Motordrehmoments! Plötzliche Drehzahlabsenkungen am Hinterrad sind ja schon schlimm genug dadurch, dass das große Getrieberad, der Wurm und die Kupplungsglocke (!) sie mitmachen müssen. Zerstörerische trägheitsbedingte Drehmomentschläge werden aber erst daraus, wenn die Fliehkraftkupplung drehzahlbedingt fester zupackt als es der Wurm erträgt. Der schwere Motor, die Kupplung und das Polrad sind ein Massenträgheitsrammbock! Wenn die Kupplung in solchen Fällen nicht GNÄDIG rutscht, dann kann der Wurm brechen. Das ist der Sinn eines teillastigen Betriebs und nicht zu hoher Drehzahlen auf Ruckelstrecken.
Ein letztes Wort zur Verlustleistung an der Kupplung, falls sie denn mal rutscht, was ja nur zur Gefahrenabwehr sein soll, nicht dauernd. Die Verlustleistung = Drehmoment mal Winkelgeschwindigkeitsdifferenz (ist proportional der Drehzahldifferenz). So richtig schnell heiß wird die Kupplung also nur bei Vollgas im Stand. Teillastbetrieb und kurzzeitige geringe Drehzahldifferenzen beim Fahren sind da viel unkritischer. Natürlich muss man hinhören dabei und darf sie nicht dauerhaft durchrutschen lassen, weil man zu langsam ist, das ist klar.
Und zurück auf glattem Asphalt: Wieder Vollgas - ist auch klar!

Grüße - Sparky