Fahrradschaltung zum 2. von Yogi

Tips und Tricks rund ums Fahrrad
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Sporti
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Fahrradschaltung zum 2. von Yogi

Beitrag von Sporti »

Fahrradschatung zum 2.

Na den Los, ich habe es in anderen Mailinglisten leider schon erlebt das längere Texte nicht so
beliebt sind.

Von Mai 1951 bis November 1954 habe ich in Krefeld das Zweiradmechaniker Handwerk gelernt.
Als ich damals meine Lehre begann (ich war schon 16 ½ Jahre alt) konnte ich noch nicht einmal
Fahrrad fahren. Das war für die damalige Zeit gar nicht so ungewöhnlich, denn welcher Jugendliche
hatte damals schon ein Fahrrad. Ich konnte mir so etwas nur selten von Nahem betrachten, damit
fahren war für mich unerreichbar. Mit 15 Jahren bekam ich einmal die Möglichkeit ein Fahrrad
auszuprobieren, dieser kurze Ausflug endete aber nach etwa 50 m in einem Dorfteich.
Aus der Traum.

Eine meiner ersten Aufgaben als Lehrling (nach Werkstatt aufräumen und sauber machen) mußte ich
auf Anordnung meines Lehrmeisters Fahrrad fahren lernen. Dazu wurde mir ein 26“ Fahrrad zur
tägliche Benutzung übergeben, das ursprünglich einmal ein Fahrrad-Motorrad war, wie sie in den
20iger und 30iger Jahren gebaut wurden. Das Ding war sehr stabil, schwer (ca. 25-27 kg) und hatte
sogenannte Ballonreifen. Die Reifengröße weiß ich nicht mehr. Damit lernte ich das Radfahren schnell,
zumal ich das Ding sogar mit nach Hause nehmen durfte. (CVJM Lehrlingsheim, Krefeld Westwall)
Nach etwa einem Jahr habe ich mal zaghaft gefragt ob ich nicht ein neues Fahrrad haben könnte.
Ich wollte es von meinem Lehrlingslohn abstottern. Ich bekam damals Anfang 1952 einen Lehrlingslohn
von 40 DM der sich alle 6 Monate um 5 DM erhöhte. Dieses Gehalt durfte ich behalten mußte davon
aber alle persönlich anfallende Kosten begleichen. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung und im
Lehrlingsheim bezahlte das Sozialamt. Ich hatte mir ausgerechnet, daß ich für ein neues Fahrrad
monatlich etwa 10 bis 20 Mark abzahlen konnte. Mein Lehrmeister ging tatsächlich auf meine Anfrage
ein und ich durfte mir ein Fahrrad aussuchen. Ich suchte mir natürlich ein Sportrad aus. Es war ein
schwarzes Wittler-Rad mit Doppelrohrramen, Aluminiumfelgen, Schmalspurreifen, Felgenbremse vorn
und einer Dreigang Kettenschaltung mit Rücktrittbremse. Mein Lehrmeister meinte zwar ich solle mir
doch ein etwas preiswerteres Rad aussuchen, stimmte aber schließlich zu. Das Fahrrad hatte damals
einen Ladenverkaufspreis von knapp unter 190 DM, ich bekam aber Hausrabatt. Ein stolzer Preis für
ein Fahrrad und einen Lehrling. Zum Vergleich, ein VW Käfer Standard (Primitivausstattung mit
Seilzugbremsen) kostete damals Anfang der 50iger Jahre zwischen 500 und 600 DM. (Brezel-Käfer)

Nur drei Gänge am Fahrrad reichten mir auf Dauer nicht, zumal die Abstufung doch sehr eng war.
Als erstes habe ich einen Zahnkranz mit einer etwas größeren Abstufung eingebaut. Nach meiner
Erinnerung hatte das kleinste Zahnrad 16 Zähne, das größte 23.

Das Zweiradgeschäft August Schefer in Krefeld bestand schon lange vor dem 2. Weltkrieg. Die
Verkaufts- und Werkstatträume lagen ursprünglich am Glockenspitz, die sind im Krieg zerstört
worden. Die neuen Verkaufs und Werkstatträume waren in der Rheinstaße 66. Weil ich schon
etwas älter war, als normale Lehrlinge, habe ich damals gelegendlich beim Wiederaufbau des
zerstörten Hauses geholfen und bekam dafür einen Extralohn. Zum Beispiel habe ich damals
große Teile der Heizungsanlage geschweißt, (autogenes Schweißen) und habe sogar die Grundlagen
der Hauselektrik gelernt. Alles in allem hatte ich mit meiner Lehrstelle großes Glück und habe viel
gelernt das nicht unbedingt zur Ausbildung eines Zweiradmechanikers gehörte.

In den Kellerräumen des zerstörten Hauses am Glockenspitz gab es aber noch ein umfangreiches
Ersatzteillager das teilweise aus dem Schutt ausgegaben werden konnte. Unter diesen Ersatzteilen
gab es auch noch einige Fichtel & Sachs Zweigangnaben mit Rücktrittbremse, die alle defekt oder
sogar verrostet waren. Ersatzteile für diese Naben waren auch noch vorhanden. Meinem Lehrmeister
fiel auf, daß ich mir diese Naben immer wieder sehr genau angesehen habe. Eines Tages sagte er
zu mir „wenn du eine Nabe funktionsfähig zusammenbauen kannst, kannst du sie behalten“. Das
ließ ich mir nicht zweimal sagen. Es dauerte aber doch noch einige Zeit bis ich die Funtion der Nabe
mit der Rücktrittbremse verstanden hatte. Ein Planetengetriebe hatte ich bis dato noch nie gesehen,
die Funktionsweise und das Zusammenspiel der Einzelteile war mir natürlich auch unbekannt. Letzte
Unsicherheiten konnte ich überwinden als mein Lehrmeister mir eine Explosionszeichnnug der Nabe
übergab. Die hatte er für mich bei einem andern Fahrradhändler besorgt. Seine eigenen Unterlagen
sind bei einem Bombenangriff vernichtet worden. Mein Lehrmeister war damals Lehrlingsobmann in
der Mechanikerinnung von Krefeld. Jetzt dauerte es nicht mehr lange und ich hatte eine Nabe
funktionstüchtig zusammengebaut und eingespeicht. Einen Mangel gab es noch, die Rücktrittbremse
funtionierte nicht richtig weil alle Messingbremsbacken die ich finden konnte verschlissen waren und
die Nabeninnenseiten auch nicht mehr das Originalmaß hatten. Aber das machte nichts, denn jetzt
machte ich Nägel mit Köpfen. Statt des normalen dreifachen Zahnkranzes für eine Rücktrittbremse,
baute ich einen Freilaufzahnkranz ein. Weil jetzt die Bremse hinten fehlte kam auch hinten eine
Felgenbremse hinzu. Welch eine Sensation jetzt hatte ich eine 6-Gangschaltung an meinem Fahrrad.
Wahrscheinlich war ich nicht der Einzige der damals auf diese Idee kam, mir ist aber aus dieser Zeit nie
etwas ähnliches bekannt geworden. Mit diesem Rad habe ich dann eine Urlaubsreise von Krefeld nach
Ebingen (heute Albstadt-Ebingen) in Württemberg gemacht. (hin und zurück ca. 1200km)

Unterwegs fiel mir unangenehm auf, daß ich bei einigen Steigungen absteigen mußte. Die Übersetzungen
am Fahrrad waren für Berge zu lang. Ich sann auf Abhilfe. Zu dieser Zeit, etwa Ende 1952, habe ich in einer
Technikzeitschrift (Hobby Magazin der Technik) von Versuchen gelesen, (Versuche vor dem 2. Weltkrieg ???)
auch vorne mehr wie ein Kettenrad einzubauen. Ich suchte nach passenden Kettenrädern die ich als Paar
vorne einbauen konnte. Irgendwann fand ich zwei Kettenräder die ich mit einigen Änderungen (Fräsen und
drehen in der Lehrlingswerkstatt der Berufsschule) zusammen montieren konnte. Einen Umwerfer wie er
heute bei Kettenschaltungen verwendet wird hatte ich noch nicht, aber ich konnte im Bedarfsfall die
Übersetzung für eine Steigung ändern. (absteigen und die Kette von Hand umlegen) Ich habe dann mit Hilfe
meines Lehrmeisters und eines Gesellen aus der Werkstatt versucht für die beiden Kettenräder vorne einen
Umwerfer zu konstruieren, ohne zu wissen das es so etwas schon gab. Solche Teile waren damals noch sehr
selten und so teuer, daß ich es mir vermutlich nicht hätte leisten können. Das ist mir aber erst bekannt
geworden als das Fahrrad schon den Besitzer gewechselt hatte. Es wurde aus dem verschlossenen Fahrradkeller
im Lehrlingsheim gestohlen. Meines Wissens ist vorher und auch später nie wieder ein Fahrrad in dem
Lehrlingsheim gestohlen worden. Vermutlich hat der Dieb mein Fahrrad wegen der technischen Besonderheiten
gezielt ausgesucht. Nach einigen Tagen hat die Rennleitung sogar den Dieb ermitteln können, aber der war mit
meinem Fahrrad nach Ost-Berlin verschwunden. Der Dieb war mir also mit Namen und Adresse bekannt, ich
bekam aber mein Fahrrad nicht zurück. Bei solchen „Bagatelldiebstählen !!!“ gab es damals keine Verfolgung
über die innerdeutsche Grenze hinweg.

Soviel zu meinen frühen Erfahrung mit Mehrfachgangschaltungen an Fahrädern.
Später hatte ich dann verschiedene Räder mit Kettenschaltungen zwischen 5 und 21 Gängen. Gegenwärtig fahre
ich neben meiner Saxonette aus Kostengründen ein Fahrrad (21 Gänge) aus einem bekannten Warenhaus.
Ein China-Produkt (???) der besseren Klasse, ich bin damit zufrieden.

Mich würde interessieren ob jemand aus dieser Runde ähnliches gebastelt hat, oder von ähnlichen frühen
kombinierten Fahradschaltungen gehört hat.

Yogi (Jörg)
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Re: Fahradschatung zum 2. von Yogi

Beitrag von Sporti »

Ja Yogi,
ich habe auch mal experimentiert.

Als erstes habe ich mein 3-Gang Nabenschaltungsfahrrad zu einer 6-Gangschaltung umgebaut, also 2 Ritzel hinten zusätzlich. Das gab es vor 30 Jahren auch zum Nachrüsten. Ich hatte da eine relativ lange Übersetzung, aber die Gänge waren gleich gestuft. Der Übersetzungsbereich stieg von 1,78 auf 2,18. Der kleinste Gang war bei einer Pedalumdrehung 3,75 und der größte war 8,17. (17 und 20 Zähne hinten) Diese Übersetzung war genauso groß, wie eine damals zu erhaltene 10-Gangschaltung.
Bin damit durch ganz Deutschland gefahren.
Hier einige Berechnungen von damals:

Bild



Bild

Später habe ich dann eine 5- Gang Pentasport Nabenschaltung eingebaut. Der Übersetzungsbereich lag bei 2,24

Bild

Dazu noch ein 3 er Kettenblatt vorne /48,38,28).. Das reichte von 2,35m bis 9 m, also eine Entfaltung von 3,83.

In Reihe gebracht sah das so aus:

Bild


Theoretisch hatte man 15 Gänge, die alle eine gleiche Abstufung hatten:

Bild

Die mußte man nur in der richtigen Reihenfolge schalten. Das ist in der Praxis aber ziemlich kompliziert.
Da der 5-Gang Hebel durch einen 3-Gang und 2 Ganghebel ersetzt werden mußte, hatte ich insgesamt 3 Hebel zum Schalten.

Habe dann daraus mir ein Schalt-Diagramm erstellt:

Bild


das war zu kompliziert, darum habe ich es dann auf 8 Gänge vereinfacht:

Bild

Konnte ich mir besser merken, der 2 er Hebel mußte nur 2 x geschaltet werden !!!


Jetzt hätte ich nur noch einen Schalter gebraucht, der die 3 Züge der Übersetzung nacheinander schalten konnte.

Jetzt existiert dieses Rad wieder nur mit der Pentasport 5-Gang-Schaltung, ohne 3er Kettenblatt, war dann doch zu kompliziert. Wird nur zum Einkaufen-Fahren benutzt.


Sporti
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Re: Fahrradschatung zum 2. von Yogi

Beitrag von nicht mehr Mitglied »

Hallo

.... großes Rätselraten =-O =-O =-O
Posting von Sporti , unterschrieben von YOGI ( der erste Bericht )

Wer ist hier wer ???????

Fragen über Fragen , ein Teufelskreis

mfg Bernd
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Re: Fahrradschatung zum 2. von Yogi

Beitrag von Sporti »

Habe Yogis Beitrag von einem anderen Threat separiert, aber nicht geschafft, auch den Autor zu ändern.
Der zweite Beitrag ist aber von mir.

Alles klaro ?

Spporti
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yogi

Re: Fahrradschaltung zum 2. von Yogi

Beitrag von yogi »

Hallo Sporti,

zunächst vielen Dank für die Korrektur der Schreibfehler in der Überschrift. Ich habe nach einer
Möglichkeit gesucht als ich es bemerkte habe aber keine gefunden. Geht das überhaupt wenn man
kein Moderator ist.

Solche Berechnungen der Übersetzungen habe ich damals nicht angestellt sondern mehr oder
weniger aus dem Bauch heraus entschieden. Zwar habe ich in der Berufsschule so etwas gelernt
aber das theoretisieren und berechnen war nie mein Ding. Darauf habe erst dann zurückgegriffen
wenn es anders nicht mehr ging. Manche theoretischen Grundlagen (wie Sinus und Cosinus) mußte
ich mir erst als Erwachsener erarbeiten, wenn ich sie im Beruf brauchte. In der Schule (Volksschule)
habe ich so etwas nie gelernt.

Ich war immer gut wenn ich etwas in die Hand bekam und es verbessern durfte. Das heißst bei allen
mechanisch technischen Problemen habe ich fast immer eine Verbesserungmöglichkeit gefunden.
Manchmal nur den Herstellungsprozesse verbessert, sehr oft aber auch wirkliche Verbesserungern
oder Vereinfachungen vorgeschlagen. Wenn die Sachen in meinem Eigentum waren habe ich sie auch
häufig einfach umgebaut. Offenbar habe ich einen angeborenen Sinn für das handwerklich Praktische.

Damit bin ich mehr wie einmal angeeckt. Nicht jedem gefällt es wenn andere die eigenen Werke
verbessern.

yogi (Jörg)
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