die Pedelec-Kaufentscheidung

E-Bike, Pedelec, Elektrofahrrad
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doran

die Pedelec-Kaufentscheidung

Beitrag von doran »

Da die Kaufentscheidung für den Erstkäufer eines Pedelec eine schwierige Sache ist, ein paar
Gedanken wie man an die Sache heran gehen kann. Erst muß der "Käufer" sich selber einordnen,
wo seine Prioritäten liegen. Die meisten haben Erfahrungen mit dem Normalrad, das ist in Grenzen
hilfreich. Pededelec sind technisch in ihrer Gesamtheit anspruchsvoller u komplexer. Wer sich
damit nicht auseinander setzen möchte, oder kann - wird sich auf die Empfehlung des Verkäufers
oder eines "kundigen Bekannten" verlassen müssen. Ich würde mir die Meinung eines "Zweiten"
zusätzlich einholen. Dabei muß man den Hintergrund des Ratgebers berücksichtigen. Freak's
werden immer darauf drängen das" Beste vom Besten" zu nehmen. Schnäppchenjäger raten immer
zum "günstigen Sonderangebot". Diese Extreme sollten als Ratgeber ausscheiden. Ist der Rat-
geber im Allgemeinen ein ausgewogener Mensch ? Verhält er sich selber ausgewogen zwischen
Verstand u Gefühl u hat dabei solide Kenntnisse u Erfahrung ? Solche Leute sind als Ratgeber sinn
voll aber auch "dünn gesäät". Ein gutes Kriterium hat man, wenn man den Markt beobachtet u
schaut welche Räder fahren vergleichbare Zielgruppen ? Heißt: A. Welche Pedelec werden von
50-jährigen u älter gefahren? B. Welche Räder fahren die Berufstätigen zur Arbeit häufig ?
C. Was fahren die "Tourer" auf ihren Überlandfahrten ? Was bevorzugen die Geländefahrer ?
Womit fahren die "Leistungsfreak's" umher ? Mit solchen Fragen kann man die Wahl schon gut ein-
grenzen. Danach muß man sich selber einordnen, zu welcher Gruppe man Parallelen hat. Damit
hätte man im Prinzip den Radtyp schon eingegrenzt.
Dann folgt die Entscheidung, in welche Qualitätsklasse / Preisklasse soll man sich legen.
Damit wäre die Vorentscheidung schon gefallen. Hat man sich auf 1--2--3-- Räder festgelegt, kommt
die Frage , wo kaufen ? Im Idealfall hat der Händler im Dorf mein "Lieblingsrad" auf Lager u schon
zigmal verkauft. In der realen Welt sieht das anders aus, da nimmt man das was der Händler
standardmäßig führt , oder bestellt nach Katalog ein anderes Rad. Oder man geht zum
nächsten Händler im Nachbardorf u findet dort das gesuchte Rad, doch taugt dann die Werkstatt
nichts. Heißt: fast immer läuft die Kaufentscheidung auf einen (faulen) Kompromiß hinaus.
Dabei gilt allgemein, je mehr man sich selber, oder mit Hife eines Bekannten helfen kann, desto
freier ist man in der Entscheidung wo man kauft. Wer auf eine Werkstatt extrem angewiesen ist,
sollte das Gewicht mehr auf Ortsnähe des Händlers legen u Abstriche beim Wunschrad machen.
Fahren tun die Räder alle, u wirklich Schlechte gibt es auch nicht. Natürlich müssen die Erwar-
tungen im Verhältnis zum Preis sein. Sinnvoll ist es in den meisten Fällen, sich preislich in's Mittel-
feld zu legen, man bekommt eine aktzeptabele Qualität u ist weitestgehend gegen Überteuerung
wie das oft bei Edelmarken der Fall ist, - geschützt. Ausgesprochene Billigräder halten nur geringen
Belastungen stand, für gelegentliches Fahren u kurzen Strecken könnte das reichen.Bei größeren
Belastungen werden rasch Reparaturen den Spaß verderben.

Die Rahmen u die Räder,
Ich favorisiere 28-Zoll Räder, wenn man nicht gerade kleinwüchsig ist u einen kleinen Rahmen
braucht. Nach meinem Empfinden laufen 26" Räder etwas schlechter - auf Touren wird man das
merken, in der Stadt zum Einkaufen weniger, das muß jeder für sich wichten. Bei den Rahmen
halte ich den" Standard-Damenrahmen" mit tiefem Einstieg für einen guten Kompromiß. Die Stabili-
tät ist für Normalfahrer ausreichend. Wer schon etwas ungelenk ( geworden ist ) wird sowieso
einen tiefen Einstieg bevorzugen. Der Diamantrahmen ( Herrenausführung ) ist für sportliche Fahrer
eine Alternative, die Fahrstabilität ist höher, man merkt das auf schlechter Piste u bei höherer Ge-
schwindigkeit. Wer noch sportlicher unterwegs ist, sollte sich ein Mountain-Bike-Pedelec kaufen.
Diese Räder sind konstruktiv für größere Belastungen ausgelegt - haben stärkere u volumigere Rah
men, größere Federwege, grobstollige Reifen. Sinnvoll wird so ein Rad jedoch nur, bei schneller u
kraftvoller Fahrweise. Als S-Pedelec wäre ein Moutain-Bike-Rahmen eine vernünftige Wahl,
schließlich dürfen sie offiziell 40 kmh laufen - bergab können es dann auch mal 50 kmh werden,
da ist ein schwingungs-stabiler Rahmen eine gute Rückversicherung, bei Geradeausfahrt als auch
bei heftigen Bremsmanövern.
Bei S-Pedelec's wird eine Empfehlung schwierig. Man kann nur die Hintergründe beleuchten.
Schlußfolgerungen sollte jeder aus seiner Interessenslage heraus ziehen. DIe Eu-Richtlinie läßt
500 W. S-Pedelecs zu. Innerhalb dieses Rahmens können die Mitgliedsstaaten eigene Gesetze
u Verordnungen aber nur "abwärtskompatibel", (einschränkend) erlassen oder in Kraft setzen. So
nutzt Österreich den Rahmen aus, u läßt 500-W. S-Pedelecs zu. In Deutschland wurden bis zur
1. Kalenderwoche 2009 S-Pedelecs bis 400 W. per Einzel oder Gruppenabnahme zugelassen.
In der Regel von TÜV oder Dekra oder Einzelsachverständigen. Das hat dem Kraftfahrt-Bundes-
amt nicht gefallen, so daß es "Order" gab, keine Räder über 250 W per Einzelabnahme mehr zu ge
nehmigen. Das Kraftfahr-Bundesamt strebt eine bundeseinheitliche Typenzulassung an. Das
wird sehr viel umfangreicher, u Fachleute reden von Abnahmepreisen um die ~ 10.000 Euro. Das
können praktisch nur große Importeure oder Hersteller bezahlen. Einzel u Gruppenabnahmen
wurden mit ~ 3000 Euro beziffert. Bei Typenabnahmen werden sehr viel aufwendigere Prüfungen
wie, Fahrversuche - Bremstests - Unfallsimulation - Diebstahlschutz u Beschreibung ( Definition)
zulassungsrelevanter Bauteile notwendig. Heißt: Sehr viel mehr Bauteile werden festgelegt u dürfen
nur baugleich ausgetauscht werden. Somit will man einen höheren Unfallschutz u Tuningschutz
erreichen. Für jede Abweichung vom Originalzustand muß man dann zum TÜV u den An oder
Umbau genehmigen u eintragen lassen. Für den Verbraucher keine angenehme u verlockende
Sache.Für die Übergangszeit verkauft man "normale Pedelec's" mit nominal 250 W mit verstärktem
Drehmoment ( 36 V - Klasse) u läßt sie bis 28..29 kmh unterstützen. Offiziell dürfen sie dann
40 kmh fahren u werden als S-Pedelec bezeichnet, ( was aber unrealistisch ist ) - erteilt
dafür eine Zulassung u fordert im Gegenzug die Versicherungspflicht - wegen 3 .. 4 kmh schneller
fahren. Die ganze Sache ist ein fauler Kompromiß u wird wohl nicht von Dauer sein.
Da auch seitens der EU eine halbwegs so zu bezeichnende Harmonisierung angestrebt wird,
wird es wohl nach den Wahlen im Herbst eine Lösung geben die sich dem österreichischen Modell
annähert. Ein S-Pedelec das diesen Namen verdient u wirklich 40 kmh laufen soll, braucht 400 W
mindestens, 500 W. wären wünschenswert , dann hätte man Gleichstand mit der Saxo. Nehmen
wir den Mittelwert v. 450 W, so müßte der Fahrer 150 W Tretleistung erbringen
, das Rad mit 200% Schub-faktor brächte 300 W. u man hätte 450 W Vortriebs-Leistung um 40 kmh
real zu fahren. Selbst bei 300% Schubfaktor ( Bion-X - Oberklasse ) müßte der Fahrer 100 W.
Dauerleistung treten. Für
Rentner u Untrainierte meist schon zu viel, sie würden das Rad nicht "ausfahren" können. Das
spricht sich schnell rund, u wenige kaufen dann noch. Damit die anderen Proportionen stimmen,
sollte so ein Rad mit 48 V. laufen u eine Speicher-Kapazität von > 500 Wh. besitzen.
(48 V / 10 .. 15 Ah) Rechnet man beim Standard-Pedelec mit einer Schubleistung von 5 .. 10 Wh.
pro km - Strecke, werden es beim S-Pedelec schätzungsweise 8 .. 20 Wh. / km. Bei 48 V / 10 Ah.
u einem Leist.Bedarf v. 12 Wh./ km ergäben sich 40 km Reichweite. Weniger, ergäbe keinen Sinn -
das Rad wäre wenig gebrauchstüchtig, mehr dagegen schon sehr wünschenswert. Ferner sollte
man prüfen ( per Probefahrt ) ob wirklich bis 38..40 kmh unterstützt wird, wenn nicht, ist es eine
Mogelpackung u nicht Jedermanns Geschmack, die Höchstgeschwindigkeit wird man kaum
damit erreichen.
Ein echtes S-Pedelec würde ich nicht in Damenrahmen-Ausführung kaufen, da wäre mir die
Fahrstabilität zu gering. Vermutlich wird die Zweiradindustrie neue spezielle Formen entwickeln,
die würde ich dann bevorzugen, denn ausführlich getestet sind diese sicherlich. Bei den Standard-
Pedelec's werden die Leute, die einen Diamantrahmen brauchen , oder Mountain-Bike-Rahmen
das auch wissen u sich danach entscheiden. Die restlichen Käufer werden in der Mehrzahl der
Fälle mit dem gemütlichen "Damenrahmen" hinkommen u nichts falsch machen. Wer unsicher ist,
kann letzte Zweifel mittels Probefahrt klären.
Gruß Doran
DiDi
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Registriert: Montag 20. Oktober 2008, 19:27
Wohnort: 42 Remscheid

Re: die Pedelec-Kaufentscheidung

Beitrag von DiDi »

Dein Beitrag ist wieder einmal ,sehr hilfreich , für die Annäherung an eine Entscheidung ,
mit den vielfältigen Detail , zur Sondierung , mit den Gesetzlichen Hintergründen ,und möglichen Entwicklungen

Gruß DiDi
Für den inneren Schweinehund gibt es eine Erklärung aus der Evolution ; er muss uns zugelaufen sein .
DiDi
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Wohnort: 42 Remscheid

Re: die Pedelec-Kaufentscheidung

Beitrag von DiDi »

hier wird bei einem Model im Test das bestätigt was auch Doran schon angeführt hat ,

http://www.fahrradnews.com/magazin/ausg ... -connect-s
Für den inneren Schweinehund gibt es eine Erklärung aus der Evolution ; er muss uns zugelaufen sein .
GasiGert

Re: die Pedelec-Kaufentscheidung

Beitrag von GasiGert »

Guter Bericht. *THUMBS UP*

Ich möchte auch noch mal eine Lanze für die kleinen Händler vor Ort brechen.
Viele haben, wie in dem Bericht aufgeführt, schon viele Fahrräder unters Volk gebracht und verfügen über einen entsprechenden Erfahrungsschatz.
Sie sind auch Anlaufstelle für Probleme, wenn mal was nicht klappt.
Nicht jeder von uns ist mit dem Schraubendreher in der Hand aufgewachsen.
Ein Händler schlägt sich aber nicht gerne mit Kunden herum, die ihr Rad allerbilligst im Internet gekauft haben, und dann zwei Tage vor deren Urlaub mit einem Problemchen bei Ihm auflaufen.
Jedes gekaufte Rad von ebay ist eins weniger bei einem Händler. Machen die aber zu, steht man irgendwann dumm da.
Die Situation kenn ich persönlich mittlerweile aus dem Fachhandel für Werkzeuge, der den Wettstreit mit Obi & Co. verloren hat oder beim Fotohändler (versus "Geiz-Markt").
Nirgendwo mehr fundierte Beratung und massenweise Billigstprodukte von schlechter Qualität.
Die richtig guten Sachen gibts da nicht, da zu selten von der Masse nachgefragt.


Zu der Beratung gab es jüngst einen kleinen, aber netten Beitrag vom WDR:

http://www.wdr.de/tv/servicezeit/mobil/ ... edelec.jsp



Gert
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